Freitag, 28. Oktober 2011

Die Grüne Zitadelle in Magdeburg

Einer meiner Brüder hat für ihn Modelle für viele seiner Bauvorhaben gebaut. In Wien kommt keiner an ihm vorbei, bei Touristen rangiert das Wohnhaus in der Löwengasse ziemlich weit vorne im Besuchsprogramm. Aber dass jemand zufällig über Friedensreich Hundertwasser, respektive seine Architektur stolpert, scheint unglaubwürdig. So viele, von ihm geplante Anlagen stehen dann doch nicht herum. Genau das ist uns aber auf der Rückreise aus Kiel im September passiert. Die Hauptroute von Norden meidend, fanden wir uns in Magdeburg wieder, ein kurzer Abstecher von der Autobahn für einen Kaffee und wir fuhren an der größten und letzten, von Hundertwasser geplanten Anlage zufällig (fast) vorbei. Für einen Moment fassungslos, ich hatte es zwar irgendwie gewusst, aber dann doch vergessen gehabt, war es, als ob wir von unsichtbarer Hand geradewegs hierher geführt worden wären.



Vor ziemlich genau 6 Jahren eingeweiht, Hundertwasser war 5 Jahre davor gestorben, fügt sich dieser kolossale Wohnbau recht harmonisch in das vorhandene Ambiente ein, trotzdem gab es, wie ihr euch sicher vorstellen könnt, viele Gegner dieses Projektes.



Hundertwasser war radikal in seinen Visionen und von meinem Bruder weiß ich, dass er sehr genaue Vorstellungen hatte, an denen nicht zu rütteln war. Ob Müllverbrennungsanlage (Wien), Gymnasium (Wittenberg), Kirche (Bärnbach), Bahnhof (Uelzen),Brunnenanlage (Zwettl), Thermalbad (Bad Blumau), Autobahnraststätte (Bad Fischau), oder Wohnhausanlage (Wien, Magdeburg), die Gestaltung war von der Idee getragen, der Natur und den Träumen der Menschen wieder einen größeren Stellenwert im Leben zu geben. Diese neuartige Architektur sollte Individualität und Kreativität in Harmonie mit der Natur ermöglichen.



Zwei große Innenhöfe mit unregelmäßiger Pflasterung, 285 verschiedene Fenstertypen und 856 Fenster, unzählige Rosatöne auf der Fassade. 171 Bäume (im/am Gebäude) nebst 264 anderen Gehölzen sind ein wichtiges Element im Wohnkonzept. Die Mieter verpflichten sich per Vertrag, einen Baum im Haus zu pflegen, um der Natur etwas, das man ihr durch dieses Gebäude genommen hat, wieder zurückzugeben. Die Bäume wiederum spenden Schatten und verbessern das Mikroklima. So die Idee. Von Wien weiß ich, dass es mit Parkbäumen auf Balkonen oder Dachgärten im Lauf der Jahre große Probleme geben kann. Die starken Wurzeln halten sich nicht immer an das Bedürfnis der Bewohner nach Wohnungswänden ohne Risse.



Radikal und revolutionär, so erleben Menschen diese Art der Architektur, manchen ist sie zu verspielt oder schlicht zu bunt. Hinter der Geschmacksfrage steht dann doch ein weitreichendes Konzept und der Gedanke, wieder mehr, auch im städtischen Bereich mit der Natur zu leben und organischer zu bauen. Das bedeutet konkret, dass kein Grundriss, keine Tür, kein Fenster, keine Säule ganz gleich ist.



Die Magdeburger und nicht nur die Bewohner lieben "ihren" Hundertwasser mittlerweile, die "Grüne Zitadelle" ist zu einem Touristenmagnet geworden. Neben Wohnungen gibt es innerhalb der mehr als 4000m² bebauten Fläche Geschäfte, ein Hotel, Büros und einen Kindergarten in diesem Gebäudekomplex.
Auch wenn es Argumente gegen eine solche Art des Bauens gibt, wundert es mich, dass noch niemand sonst in der Architektur ähnliche Konzepte verwirklicht. Vielleicht kenne ich es ja nur nicht. 
Ein weiterentwickeln, ein fortführen? Fände ich spannend. An glatten, sterilen Glasfassaden hätte ich mich fast schon sattgesehen.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Kupfrig golden und pfirsichpink

Es ist noch nicht soweit dieses Jahr. Die Blätter scheinen an den Bäumen zu kleben, nur zögerlich beginnt die Blattfärbung da und dort. Ich will ja nicht hetzen, aber.
Schön aber auch, dass es jedes Jahr ein bisschen anders geht. Diese Fotos aus dem Vorjahr machen Vorfreude. Buche, Ahorn und Amberbaum lieferten ein herbstliches Feuerwerk vor blauer Himmelsbühne ganz ohne Schall und Rauch. Alle diese Bäume leben im Schlosspark Laxenburg, ich besuche sie regelmäßig, sie sind mir ans Herz gewachsen, wie viele ihrer Artgenossen dort.






            Auf dem Fotoblog vom Schlosspark Laxenburg gibt es regelmäßig mehr davon zu sehen. 

Manchmal, nach einer kalten Nacht und einem windstillen Morgen fallen die Blätter, wie von unsichtbaren Händen gepflückt und dann losgelassen nach und nach lautlos zu Boden. Blätter, die glänzen und sich fest und lebendig anfühlen. Es ist wie mit den Kastanien, als ob jedes Einzelne eine Geschichte erzählen wollte. Wie es seinen Frühling und Sommer erlebte und die gespeicherten Sonnenstrahlen, den Wind, den Regen. Ein Lächeln ist in dem Gelb und Rot, im Kupfergolden und Pfirsichpink. 
Der Park, der Garten, der Wald lächelt und erwärmt mein Herz. Ein letztes fröhliches Geschenk im ausklingenden Jahr. Bruder Baum sei Dank! Ganz gratis und nicht vergebens.

Samstag, 22. Oktober 2011

Lass es sprießen

Jenseits des Baches hinter dem nicht vorhandenen Gartenzaun.
Ein paar hundert Meter von einer achtspurigen Autobahn entfernt, tut dieses Stückchen Erde alles, um ein bisschen *unberührte* Wildnis in die nahen Abgasschwaden zu zaubern. Ein paar Bäume und Sträucher, nach Süden an unseren Garten angrenzend. Es wächst, wie es will und vor Allem, wie es kann. Aus nur einem Grund: Hier stehen nächstes Jahr dann im Herbst Häuser.



Ein Stück Erde, verkauft und sich selbst überlassen. Die Wildkräuter nützen ihre Chance und produzieren Samen en masse. Hinter dem Bach gestaltete Schönheit, hier die natürliche. Mit nur einem Unterschied: Jetzt schaue ich auch hier genau hin, es hat ja ein Ablaufdatum. Bald kein ausuferndes Wachstum mehr, Neohausbesitzer verfügen meist anfangs über besonders viel Ehrgeiz und Ordnung im Garten. Klar.



Einige wilde Ecken gibt es ja zum Glück auch bei uns, auch wenn ich mich bemühe sie nicht an die große Glocke zu hängen. Frau will sich eines schönen Gartens rühmen, hat aber weder Zeit noch Ausdauer, alles ete tepete zu pflegen. Keine Angst da vor *wilden* Tieren. Bei uns tummeln sich Wühlmäuse, Marder, Eichhörnchen, Igel, Blindschleichen, Ameisenvölker, Schnecken, Maulwürfe. Vielerlei Wespen, Hummeln und Bienenarten, Käfer, Schmetterlinge, Vögel und sonst noch einiges. Katzen aus der Nachbarschaft nicht zu vergessen. Und sie alle gestalten fleißig auf ihre Art mit.



Es hilft halt nichts, ich bin ein (damals) Teenie-Kind der Flower-Power Jahre. Da ließ man es sprießen, das Haar. Ein bisschen wuchern im meinem Umfeld darf - nein - muss also sein. Zu viel gemachte Ordnung tut mir fast ein wenig in den Augen weh. Entstandenes Gleichgewicht ist immer auf seine Art harmonisch und  schön. Es lebe die Ordnung, die wir nicht auf den ersten Blick als solche erkennen!

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Zauberhaft vergänglich

Wir wissen was es bedeutet, aber kann Verderben schöner sein? Die Crème de la crème des Kaputtbaren hängt an einem Quittenbaum. Perfekte Schönheit ist eh fad, hier die Devise. 
Spieglein, Spieglein an der Wand, die modrig gestochene oder die Pausbäckige?

Ohne Spitzenbesatz hätte auch die Makellose hier ihren Auftritt verpasst. Zu gewöhnlich. Und sind wir ehrlich: Das Morbide lockt nicht erst seit La Traviata wohlige Schauer den Rücken hinunter. Violetta, Du Schöne, lass dich feiern, bis du fällst!




Dienstag, 18. Oktober 2011

Charakter verfangen in Lichtfäden

September, zwei Drittel vom Oktober liegen hinter uns und noch kein einziger Nebeltag dieses Jahr. Ein Gefühl von Luxus breitet sich aus. Goldener Oktober - ein Begriff, der dieses Jahr auch bei uns mit Leben erfüllt und nicht nur ein schönes, leeres Wort ist. Lichtfäden, die durch den Garten fliegen, manchmal verfängt sich Pflanze, Tier oder Mensch darin.



Wenn das Gefällige, weiche Formen, Farben abgefallen sind bleibt Struktur.  Charakter tritt stärker hervor. Ich liebe diese Reduktion, es bringt Individualität zum Vorschein. So viel Schönheit. Ja, unbestritten, im Sommer verführt die Üppigkeit und Vielfalt in Allem, was wächst. Wir schwelgen darin. Dann plötzlich, wenn die Tage kürzer werden und das Licht weicher leuchtet, verführt Rückzug in der Natur dazu, das Wesentliche wahrzunehmen. 

Bei der eigenen Wahrheit bleiben, bei dem, was bleibt und Bestand hat. Ziehen lassen, was nicht mehr passt. Ohne Ballast Neues beginnen. Wenn das nicht so schwer wäre. Manchmal.

Sonntag, 16. Oktober 2011

Ganz normaler Jugendstil

Wir stellen das Auto ab, wunderbar, wir haben sofort einen Parkplatz gefunden. Vier Frauen unterwegs zu einem Workshop in Wien. Gerade als ich aus dem Auto steige, öffnet sich die Haustüre neben mir und schon ist sie da: Die eher seltene Gelegenheit, in einen Hausflur hineinzusehen. Ich bin da wie die sprichwörtlichen Geier. Immer auf dem Sprung, etwas *Neues* zu entdecken. Neues im Sinne von *für mich neu*. Und ja, ich habe die kleine Kompaktkamera dabei! (Ohne sie gehe ich eigentlich kaum mehr aus dem Haus).

Wien erfuhr seine städtebauliche Hochzeit vor mehr als 100 Jahren in der sogenannten Gründerzeit. Viele Menschen zieht es damals aus den Kronländern der Monarchie in die Hauptstadt, der Bedarf an Mietwohnungen ist enorm groß und es wird gebaut, was das Zeug hält. Innerhalb weniger Jahrzehnte gibt es eine Fülle an unterschiedlichen Umsetzungen von architektonischen Ideen, einige Architekten machen sich einen großen Namen um die Jahrhundertwende.




Ein bisschen musste ich ausholen, um verständlich zu machen, warum ich immer wieder begeistert Entdeckungen in der Stadt machen kann. Man kommt irgendwo aus Zufall hin und schon stolpert man über ein Kleinod. Was mich besonders fasziniert ist, dass Vieles seit mehr als hundert Jahren erhalten ist, nicht nur Häuser, sondern Bodenfliesen, Stuck, Holztüren, Glasfenster und schmiedeiserne Treppengeländer. Seit etwa 30 Jahren wird in Wien neben der allgemeinen Stadterweiterung auch auf Stadterneuerung gesetzt. Renovieren ist das Geheimnis eines lebendigen Großstadtlebens. Schließlich mussten Substandardwohnungen (kein Wasser und keine sanitären Anlagen innerhalb der einzelnen Wohnungen im Mietshaus) auf die modernen Wohnbedürfnisse umgebaut werden.



Das Besondere und gleichzeitig Alltägliche in der Steingasse 33-37 im 3. Bezirk (Seitengasse vom Rennweg) ist, dass auf beiden Seiten der Straße nebeneinander mehrere gleiche Häuser stehen, die leichte Variationen im Zierrat z.B. im Stuck, oder in den Ornamenten auf den Türen zeigen. Eine gut erhaltene Mietshausgruppe.
Der Architekt dieser Häuser, Carl Stephann hat viele Mietshäuser in seiner vierzigjährigen Karriere gebaut und verschiedene Baustile bedient. Diese Gebäude entstanden 1903 in sezessionistischen Stil, auch als Jugendstil bekannt.



Einerseits Symmetrie am Plafond des Flurs, im Fenster aber ein verspieltes Detail, das aus der Reihe tanzt. Das Blütenmotiv ist eines der beliebten und berühmten Jugenstilmotive in Wien.



Innerhalb dieses Ensembles wird gerade saniert, der Flur wurde neu ausgemalt, der Stuck wahrscheinlich restauriert, die Türe weist noch Löcher auf. Manche der Fassaden sind noch grau, manche Türen grün, andere braun gestrichen. So fällt es erst auf den zweiten Blick auf, dass diese Häuser zusammengehören.



Soviel verspieltes Zierrat mag nicht jedermanns Geschmack entsprechen. Aber allein der Aufwand, den Menschen zur damaligen Zeit betrieben haben, um einfache Wohnhäuser für das Auge schön und abwechslungsreich zu gestalten, fordert Respekt ein. Heute wäre soviel Handarbeit wahrscheinlich unbezahlbar, aber die Liebe zum Detail und zur handwerklichen Perfektion strahlt noch immer aus der längst vergangenen Zeit zu uns, immerhin sind inzwischen zwei Weltkriege durch die Stadt gezogen und Vieles ist auch unwiederbringlich zerstört worden!
Diese Häuser sind mit Sicherheit in keinem Reiseführer zu finden und sind doch so typisch für Wien und so einnehmend in ihrer schlichten Schönheit. 


Freitag, 14. Oktober 2011

Auch heute noch

Als ich ein kleines Mädchen war, träumte mir einmal, dass ich aus blauen Blumen Farbe herstellte und die Essenz auf das Fensterbrett stellte, wo die Sonne die Farbe zum strahlen brachte. Vielleicht liebe ich deshalb auch heute noch blau im Garten. In vielen Facetten und Tönen wächst es da. Jetzt im Herbst leuchten die Blüten der Katzenminze, der Bleiwurz und der Herbstaster im Morgenlicht besonders schön. So viel Sonne diesen Herbst! So viel Freude!


Mittwoch, 12. Oktober 2011

Fast unmerklich

Fast unmerklich beginnt der *Verfall*. Ein bisschen Herbst in der Landschaft. Oft auch mal heiter. 
Fast ein wenig ungläubig hören wir jetzt schon täglich Meldungen, die wir schwer einordnen können. Was bedeuten sie für uns, für die Welt? Was wird morgen sein? Wo werden wir uns wieder finden?

Dazwischen Fröhlichkeit und lachen, als ginge die Welt ihren gewohnten Gang. Wie immer, kein Grund für Veränderung...



Fast unmerklich beginnt der *Verfall*. Geld haben, Chancen, Arbeit haben, oder nicht haben. Was sich nicht mehr halten lässt, passt nicht mehr und fällt.
Fast ein wenig ungläubig hören wir hin. Kann und wird es eine andere Sicht auf die Welt geben, andere Schwerpunkte, andere Zielsetzungen?

Die Blätter fallen bald, was sich nicht mehr halten lässt, passt nicht mehr und fällt. In der Natur, im Leben. Die Essenz und Lebenskraft der Bäume aber bleibt und tritt verstärkt hervor. Zur gegebenen Zeit gibt es neues Wachstum, neue Chancen, neues Leben.

Mein Fokus für die kommende Zeit: Alle Bäume bekommen im Frühjahr frische Blätter, alle. Neu und voller Lebenskraft.

Montag, 10. Oktober 2011

Jedes Jahr Verwunderung

Jedes Jahr Verwunderung. Wenn im Herbst die Wintersaat gekeimt ist und die zarten Halme des Getreides wachsen, das im nächsten Jahr fruchten wird. In Frühlingsfarbe stehen sie da, irgendwie fast unanständig, unpassend, wo rundherum alles zum Braunen, zum verwelken strebt. Wie ein lebendig gewordener Widerspruch die Felder, jetzt, da die Temperaturen vom Sommerniveau heruntergepurzelt sind. Wie von einer geheimen Kraft gezügelt, halten die Triebe dann je in ihrem Wachstum inne. Nichts geht mehr, aber dieses Grün leuchtet weithin, mit der Begeisterung eines jugendlichen Sturms der Lebenskraft. Unter Schnee begraben, bei eisigen Temperaturen zum Boden geduckt, durchtauchen die Pflänzchen Monate, um dann unbeirrt weiterzuwachsen.



Ich liebe es, an solchen Äckern vorbeizugehen. Es beruhigt tief drinnen in mir. Entgegen des Mainstreamdenkens vom allzeitnotwendigen Wachstum breitet es eine Wahrheit aus, die von Zyklen zeugt. Wir Frauen erkennen dieses Geschehen vielleicht schneller wieder, betrifft es uns doch körperlich sehr direkt. Wir haben da eine innere Referenz, sozusagen. 

Rhythmen erkennen, aufgreifen und umsetzen - wenn mensch das schafft, entspannt sich das Leben. Ein bisschen mehr davon und ein bisschen weniger Zielen nachhecheln: So könnte der Winter richtig schön werden! 

Das schreibe ich mir hinter die Ohren und lasse es anklopfen. Wenn ich dort vorbeikomme, wo die Wintersaat steht, mit der Gewissheit für die richtige Zeit. Die Farbe ist schon da, alles andere findet sich.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

Lebenslauf - Alice Schwarzer in Wien

Erste Station auf der Lesereise für ihr neues Buch: Wien Hauptbücherei. So voll, dass viele nur über einen Bildschirm dabei sein können. 
Alice Schwarzer liest aus ihrer Autobiografie mit dem schlichten Titel *Lebenslauf*.
Ehrlich gesagt, ich habe kein Talent zum Groupie - nie gehabt - aber es gibt Menschen, die schlicht und einfach meine Hochachtung verdienen. Intelligenz, Mut, Durchhaltevermögen, Wortwitz und eine bewundernswerte Schlagfertigkeit können wohl auch diejenigen Schwarzer nicht absprechen, denen sie immer wieder in die Quere kommt.



Allein das, was bei der Lesung zu hören war, ist dazu angetan, ihr Buch uneingeschränkt zu empfehlen. Alice Schwarzer erzählt und liest aus ihrem Leben, viel Persönliches kommt zur Sprache und macht ihren Weg und Werdegang plastisch und nachvollziehbar. Dazwischen gibt es immer wieder Momente, wo ihre politische Seite sichtbar wird. Anliegen, die mit fortschreitendem Alter nicht weniger wichtig scheinen. Sie arbeitet immer noch mit großem Einsatz, ganz besonders auch für ihre "Sechslinge" EMMA. Seit 34 Jahren gibt es diese, von ihr gegründete Zeitschrift für die Emanzipation der Frau. Da schimmert doch ein wenig Stolz durch bei einer Frau, die so unprätentiös und natürlich mit ihren Erfolgen umgeht.



Die Begeisterung bei den mehrheitlich weiblichen ZuhörerInnen ist groß und Alice Schwarzer ist "ganz gerührt". Die Freude ist ganz unsererseits: Schön, sie einmal so hautnah erlebt zu haben!



Viel Inhaltliches ist sowieso in den Medien zu hören und zu sehen. Eines möchte ich jedoch hier vom gestrigen Abend aufgreifen: In einem der wenigen wirklich ernsten Momente ( Alice Schwarzer versteht es sehr schön, auch schwierige Geschichten mit einem abgeklärten Charme rüberzubringen), spricht sie darüber, dass schon im Jahr 1977 in EMMA erstmals der sexuelle Missbrauch von Kindern thematisiert worden war, damals ein absolutes Tabuthema. Wie außerordentlich wichtig und wegweisend das war, wissen wir heute. Auch andere Formen der Gewalt, die uns auch heute noch betreffen, kommen zur Sprache.

Dafür, dass sie nicht wegschaut und den unbequemen Weg geht, liebe ich sie.




Es gibt nur insgesamt 6 Termine auf dieser Lesereise. Schwarzer begründet das so: "Es soll ja Spaß machen und außerdem wartet schon die Arbeit für EMMA auf mich". Wer also die Gelegenheit nicht verpassen möchte, heute Abend in Graz, weiters in Köln, Zürich, Hamburg und München gibt es in Kürze Gelegenheit dazu. Hier, auf der Webseite von Alice Schwarzer findet ihr mehr Infos.

Montag, 3. Oktober 2011

Gar nichts zu meckern...


Was für ein Wochenende. Wir schreiben Oktober und erleben Sommer in der Stadt. An der Alten Donau in Wien scheint die Zeit still zu stehen. Kein ausgelassener sommerlicher Lärm, obwohl allerlei Boote auf dem Wasser gleiten. Jeder Blick dort hinaus vermittelt einen in Zeitlupenmodus abgespielten Film, in 3D, nur noch ein wenig wirklicher. Nein, es ist kein Traum, auch wenn derselbe Ruderer schon zum vierten Mal an uns vorüberzieht, nahezu lautlos. Um uns herum Stimmen, Gelächter, aber sachte, als könnte man allzuschnell erwachen und es ist plötzlich kalt und grau, wie so oft schon um diese Zeit in Wien. Goldener Herbst steht im Raum, es gibt gar nichts zu meckern (vielleicht ist ja der Wiener Missmut auf schiache Herbste zurückzuführen).


Wir bleiben. Dieser Sonntagnachmittag hat selten klare Luft im Abgang. Die Zeit steht doch nicht still, jetzt wird es deutlich. Zauber der blauen Stunde.
Und morgen scheint wieder die Sonne.






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