Dienstag, 6. September 2016

Gute Tage

Seit einigen Jahren erziehe ich mich zur Dankbarkeit. Klingt zunächst nicht sexy und ich gebe zu, es war anfangs auch mühevoll. Ich dachte: Probier doch mal aus, was alle schreiben, dass Dankbarkeit dich zufriedener und glücklicher werden lässt. Probier doch mal aus, ob die gescheiten Sprüche stimmen, die du nicht nur auf gedruckten Kalendern, sondern täglich im Internet lesen kannst. Schon zum Frühstück serviert, in sozialen Netzwerken. Du warst ja gewitzt und hast die richtigen Seiten abonniert...



Von klein auf konditioniert, darauf zu schauen was fehlt, nicht passt oder falsch ist, fällt es zunächst schwer, den Fokus auf die vielen kleinen gelingenden und schönen Momente des Tages zu lenken. Und leider stimmt es, dass es wenig nützt mit dem Verstand allein zu arbeiten. 
Ach ja, was war da so alles heute, genau: Die Maschenprobe für mein neues Strickprojekt hat auf Anhieb gepasst, der Nachbar hat ein paar nette Zeilen hinterlassen, der Regen hat der Sonne Platz gemacht und du hast die Bügelwäsche erledigt. Ein guter Tag also. Dann allerdings weiter mit grübeln und sorgen im Text, Gedankenkarussell. 



Ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich musste trainieren. Bewusst hinschauen, langsamer werden, achtsam und vor Allem FÜHLEN.
Was macht es mit mir, wenn ich Dankbarkeit fühle. Es dauerte, bis das gelingen wollte. Ich glaube, es dauerte Jahre. Ich erkannte es schließlich an der Freude. Ich freute mich wieder öfter. Wie damals, als kind beim Anblick einer Blüte noch nicht an Zerstörung dachte und einfach nur Schönheit aufnahm, ganz darin versinkend. 



Ich erlaubte mir öfter, mich einfach sehr zu freuen, auch bei kleinen Dingen und das auch auszudrücken. Egal, ob jemand da war oder nicht. Man kennt das von den Alten, die vor sich hinreden und sich selbst erzählen, wie was war, dieses und jenes.
In diesem Sommer erlaubte ich mir öfter, das zu tun, was mir Freude machte (und zu vertrauen, dass ich dafür was zu tun war auch genug Motivation aufbringen würde). Ich kam in Fluss. Ich kam in die Freude, ich fühlte immer öfter Dankbarkeit. 


Ich erlaubte mit mehr freie Zeit (und die Dinge fügten sich so, dass das relativ einfach klappte), mehr aus dem Augenblick heraus zu leben. Hinterfragte vor Allem selbst auferlegte Verpflichtungen und verschob lustvoll auf nächste Tage. 
Ich erlaubte mir am Nachmittag ein wenig zu schlafen wenn ich müde war und übte mich darin, deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich nahm Vieles, wie es kam und sah es als Übung flexibel zu bleiben und locker.

Ich erlaubte mir, Zeit zu haben, auch wenn ich keine hatte (ich kann sehr ungeduldig sein). Das klappte nicht immer (durchatmen... durchatmen...)




Es hat sich etwas verändert. Vielleicht ist das alles für dich, liebe/r Leser/in, ja keine Herausforderung. Du stehst dir nicht selbst im Weg, machst, was dir gut tut und genießt dein Leben. Ich jedenfalls musste mir Leichtigkeit hart erarbeiten, welch ein Widerspruch. 
Ich glaube der turning point ist geschafft, denn dieser Sommer kommt mir jetzt schon so glücklich vor, obwohl eigentlich nichts explizit Besonderes passiert ist. Am Wetter allein kann es nicht liegen... 



Bei Sigrun von Hillside Garden las ich zuletzt zur Achtsamkeit und dachte: Ich bin nicht allein mit dem Bedürfnis nach qualitätsvoller Zeit und das ist wohl individuell zu definieren. Das braucht Zeit, bewusste Hinwendung und vorher ein bewusstes dafür Entscheiden.

Zuletzt noch zur Frage, ob man mit solch einer Einstellung zu den Realitätsverweigerern zu zählen ist. Frage: Wem nützt es, wenn wir alle gesenkten Hauptes, angstvoll in die Zukunft blicken und nur mehr flach atmen? Uns nicht mehr freuen, weil die Zeiten angeblich so furchtbar sind?! 
Eben. 



Dankbar zu sein bedeutet ja nicht zwangsläufig, sich dem Geschehen rundherum zu entziehen, es bringt vielleicht mit sich, dass man wählerischer mit der eigenen Energie umgeht, selektiert und genau schaut was man unterstützt, mitträgt und fördert. 

Ich danke euch allen, dass ihr hier vorbeischaut, obwohl es hier zuletzt recht ruhig zuging. Ihr wisst jetzt warum. Ich schreibe sehr gerne, aber manchmal drängt einfach etwas anderes in den Vordergrund. Ich habe beschlossen, es darf! Und natürlich bin ich neugierig zu erfahren, wie ihr mit diesem Thema umgeht...

  

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