Dienstag, 1. Dezember 2015

Ob sie ahnten?

So ist sie nun da, die neue Zahl mit dem 6-er vorn. Und erstmals in diesem Leben kommen mir viele Lebenskreise in den Sinn. Rückblick war bisher noch kein großes Thema, runde Geburtstage waren zum feiern da und um mit einer gewissen Neugier in das nächste Lebensjahrzehnt hineinzufühlen. Was würde es bringen, wie würde es mich verändern? Welche Herausforderungen und Lebensgeschenke auf mich zukommen?



Diesmal also anders. Schon vor einem halben Jahr streiften meine Gedanken in ruhigen Minuten in meine Vergangenheit. Wichtige lebensprägende Menschen haben diese Seite der Realität verlassen, auch meine Mutter. 

Auf dem Foto unten stehen meine Urgroßmutter, Großmutter und Mutter zusammen hinter mir, ob sie in diesem Augenblick geahnt haben, welche Bedeutung dieses Foto einmal bekommen könnte? Ich selbst habe keine Tochter, so ein Foto wird es von mir als Ahnin also nicht geben. Welche Eigenschaften man so geerbt hat verdichtet sich oftmals erst später zu einem klareren Bild, ich empfinde es jedenfalls so. Von meiner Mutter habe ich die Treue zu sich selbst in mir. Eine Eigenschaft, die einem viele Schwierigkeiten im Leben einhandeln kann, wehrt man sich dagegen oder unterdrückt es gar, macht das alles auch nicht besser, das habe ich alles ausprobiert. Ich habe mich in meinem vergangenen Lebensjahrzehnt dafür entschieden mich der Aufgabe zu stellen und dazu zu stehen, was sich durch mich ausdrücken will und muss.

Von meiner Großmutter (in der Mitte hinter mir) habe ich das Bedürfnis nach Weite im Denken bekommen, auch sie war wie meine Mutter eine starke Frau, die anlässlich ihrer Silbernen Hochzeit in den 50ern des letzten Jahrhunderts mit dem Priester im Beichtstuhl einen Diskussion in Sachen Empfängnisverhütung anzettelte, worauf sie während der Feier keine Kommunion bekam, ein mittlerer Skandal zu dieser Zeit. Sie erzählte mir das einmal, als ich selbst schon kleine Kinder hatte. Dazu hatte sie sich trotz zweier Weltkriege während ihrer Kindheit und Erwachsenenzeit eine gewisse Leichtigkeit erhalten. Sie setzte sich beispielsweise auf den Tisch, als sie einmal auf uns Kinder (ich war damals sechs) aufpasste, ließ uns auf ihrem Fuß schaukeln und sang lautstark Verrisslieder über die Kriegszeit, dazwischen lachte sie schallend, wahrscheinlich am meisten über unsere ungläubigen Kindergesichter. Ich war einfach nur platt, so etwas machte kein erwachsener Mensch! Sie war und ist (von drüben) ein Fels in der Brandung meines Lebens. Von meiner Urgroßmutter weiß ich leider nicht viel, sie wurde zweiundneunzig und hatte sechs Kinder geboren, alle die überlebt hatten waren tüchtige Menschen und trugen mit einer Menge Kinder zum Reigen der Urenkel bei.



Von meiner Großmutter väterlicherseits habe ich meinen Namen bekommen, meine Liebe zur Natur und meinen Sinn für Schönheit. Sie war erdverbunden und sehr tüchtig. Ihre Liebe zu Blumen und Pflanzen allgemein war nicht zu übersehen. Ein wunderschöner großer Blumengarten, der an Üppigkeit nicht zu überbieten war, ein riesiger Obst- und Gemüsegarten, ein Acker, der das Futter für Hühner, Gänse und Schweine hervorbrachte bescherte ihr ein Leben, das sie sieben Tage die Woche ausfüllte und forderte, denn mein Großvater betrieb den einzigen kleinen Laden des Dorfes und war wohl für die Hauptarbeit draußen kaum verfügbar. Auf dem Foto wird sie ungefähr mein jetziges Alter gehabt haben. Das Leben in dieser Generation war nachhaltig und zutiefst mit der Natur verbunden. Es gab auf dem ganzen Anwesen keinen Mistkübel, alles wurde wiederverwertet, an die Tiere verfüttert oder im Küchenofen verbrannt, es gab ja noch kein Plastik. Das Wasser holten meine Großeltern noch viele Jahre mit einem Kübel aus dem Brunnen, später hatten sie dann in der Küche einen Wasserhahn. Allesamt arbeitsreiche Leben, die meinen Vorfahrinnen einiges abverlangt hat und mit unserer Lebensweise nicht mehr zu vergleichen ist.



Ich bin die älteste von fünf, auf dem Foto unten etwa acht Jahre alt, bei einem Sonntagsausflug als meine Großeltern und mein Onkel zu Besuch bei uns waren. Besondere Tage, denn sie alle lebten in einem anderen Land mit einem anderen politischen System und vielleicht prägten sich die Eigenheiten der verschiedenen Lebenswelten auch deswegen so stark ein und vielleicht waren die verwandtschaftlichen Beziehungen auch deswegen so wichtig, weil man sich gegenseitig für den Alltag verloren hatte und erst viel dafür tun musste um zusammenzukommen.



All das hat mich geprägt und darüber hinaus noch so vieles mehr, von dem ich gar nicht genau weiß, was es gewesen sein mag, mit dem ich aber leben und umgehen darf und muss. Schön ist es, bei den eigenen Kindern zu sehen, wie sich gewisse Eigenschaften und Merkmale abermals zeigen und weiterentwickelt werden. Manches zeigt sich als Aufgabe manches als Leichtigkeit, wobei es genau diese Eigenschaft ist, die ich mir in den kommenden Jahren mehr und mehr erschließen will. Was ich allerdings immer mehr spüre ist eine Dankbarkeit all denen gegenüber, die mir vorangegangen sind. Ihnen verdanke ich alles, denn ein größeres Geschenk als Leben zu schenken gibt es nicht.

Hier noch ein ganz aktuelles Foto von mir, wenn wir heute schon bei den persönlichen Themen sind. 60 Jahre! Ich lächelte immer, als "alte" Leute davon sprachen, wie schnell die Jahre gehen, denn auf eine Art empfindet man es so. Andererseits gehen die Jahre, wie sie eben gehen und sie machen Spuren, in mir und in anderen und es schließen sich Kreise und neue öffnen sich. Ab heute geht es auf die siebzig zu....





12 Kommentare:

  1. alles gute, viel Glück für dein neues Lebensziel liebe Elisabeth!
    Ich habe mich sehr gefreut über deine Familie zu sehen sie sogar und zu lesen wie und was... so schön!
    Familie so zu haben ist ein wahrer Reichtum das spüre ich in deinen liebevollen Zeilen!
    Schönen Tag wünsche ich dir und feiere ihn auf deine Art! Lebe ihn hoch! Schnell gehen die Tage aber auch du bis jetzt im Alter wo du schneller entscheiden kannst was du möchtest weil die reife macht es aus gelernt in sich zu hören !
    Liebe Umarmung Elke

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  2. Herzlichen Glückwunsch, ein schöner Rückblick auf die Ahnen, ihre Geschenke und so ein zart-starkes Jetzt-Bild! Liebe Grüße Petra

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  3. Erst mal - herzlichen Glückwunsch! Du siehst fantastisch aus.
    Aus meiner Sicht jetzt (next stop 68) scheint mir 60 noch ein jugendliches Alter, da ist noch viel offen.
    Der Einblick in deine Familiengeschichten ist faszinierend, vor allem die Fotos. Wie verschieden Familien auch sind, die Frauenwirtschaft war in meiner Familie auch sehr dominant.

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  4. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  5. auch ich wünsche dir viel Liebe und Zufriedenheit in deiner neuen Lebensphase, auch ich bin ein
    Winterkind und Schütze.
    verbring noch einen gemütlichen Abend
    Hermine

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  6. Liebstige Elisabeth,
    lass dich von mir zunächstmal zum Geburtstag drücken - und zwar ganz, ganz herzhaft! Das Bild der 4 Generationen finde ich so schön - und auf diesem Foto sehe ich auch ganz deutlich, wie sehr du deiner Mutter optisch ähnelst, auch wenn ich nicht mit dem Finger draufzeigen und sagen könnte: die Augen oder die Mundpartie (oder was auch immer) - vielleicht ist es, wie es auch bei meiner Ähnlichkeit mit meiner Großmutter väterlicherleits ist, einfach nur ein bestimmter Gesichtsausdruck, der verdammt ähnlich aussieht. Ich find's klasse, dass du eine so nonkonformistische Oma hattest - ja, davon steckt in dir auch einiges...
    Es ist so spannend, über die eigenen Wurzeln nachzudenken, finde ich!
    Vor kurzem waren wir zu einer 50er-Feier von drei meiner "Cousins" eingeladen, wobei sie nicht meine "richtigen" Cousins, sondern welche "zweiten Grades" sind. Soll heißen, sie sind die Nachkommen der Schwester meiner Oma mütterlicherseits, und ich habe den einen zuletzt vor 42 Jahren bei einem Urlaub in Kärnten gesehen und die beiden anderen - Zwillinge - zuletzt als sie ca. 18 waren beim Begräbnis meiner Oma, davor als Kinder, da hatten wir gemeinsam bei meiner Großtante am Land gespielt. Jetzt ist der eine Unfallchriurg und die anderen beiden sind Architekten. Es hat Spaß gemacht - auch zu erfahren, welche Erinnerungen die drei (und manche andere der Gäste) an mich hatten - und vor allem Jana war so sehr in ihrem Element, der erste Kontakt mit der nächsten Generation dieser Verwandschaftslinie, einige so ungefähr in ihrem Alter, 20 oder 23, sie hat sich prächtig unterhalten, auch schon die Babies aus der übernächsten Generation herumgeschleppt und am Schluss, nach diesem Abend, gejubelt, dass sie jetzt weiß, woher sie ihre Legasthenie hat ... ;o)
    Ganz herzliche rostrosige Adventgrüße,
    Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2015/11/advent-und-ein-paar-outfit-spielereien.html

    PS: Du hast mich gefragt, ob ich im Büro auch Komplimente für meine kreativen Outfits bekomme. Ja, von manchen schon, vor allem eine Kollegin sieht mich als "ihre Stilberaterin" ;o)) Für andere wiederum bin ich ZU kreativ, da kommen dann Blicke, die irgendwo zwischen Neid und Unverständnis pendeln. So ist das halt, wenn man einer bissl "anders als die anderen" ist und man das auch nach außen hin sieht. Damit lebe ich schon lange... hab mich ja schon von kleinst auf durch meine Haarfarbe von allen anderen Kindern in meinem Umfeld abgehoben...

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  7. herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag! Ich würde sagen, ab heute gehst du auf die 61 zu!!
    Ein Foto mit 4 Generationen ist toll!! Das gibt es nirgends in meiner Familie, es sind die Generationenabstände viel zu groß und ich kannte auch nur die Großeltern mütterlicherseits, die väterlichen sind knapp nach meiner Geburt bereits verstorben, ganz zu schweigen von den Urgroßeltern...
    Meine Großmütter waren beide sehr starke Frauen (ich trage auch von beiden die Namen hinter meinem), du bringst mich auf die Idee, einmal über sie zu bloggen... lg

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  8. Liebe Elisabeth,
    auch von mir herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alles Liebe und Gute, Glück und vor allem Gesundheit! Danke für diese schönen Bilder :O)
    Ich wünsche Dir eine schöne und besinnliche Zeit!
    ♥ Allerliebste Grüße, Claudia ♥

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  9. Liebe Elisabeth
    herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
    Ein wundervoller Post mit lieben Erinnerungen und so schönen Fotos!
    Ich wünsche Dir ein neues Lebenjahr voller Freude, mit offenen Augen und dem Gespür für all das was Dir gut tut.
    liebe Grüsse
    Elisabeth

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  10. Liebe Elisabeth, ich gratuliere dir zu den sechzig, du siehst phantastisch aus, dir strahl das Glück aus den Augen. Mit deinem Beruf denke ich, hast du deine Berufung gefunden. Stimmts?
    Dein Rückblick auf vergangene Leben ist spannend, ich mache das manchmal auch für mich, öffentlich traue ich mich nicht. Es kennt mich ja kaum einer persönlich.
    Einfach war das Leben unserer Vorfahren nicht, das stimmt, doch unseres ist es auf andere Weise auch nicht.
    Ich wünsche dir für deine weiteren Lebensjahre vor allen Dingen Gesundheit. Der Rest kommt von alleine.

    Sigrun

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  11. Liebe Elisabeth, auch von mir herzliche Glückwünsche zu deinem Geburtstag!! Ich kann mich nur meinen Vorkommentatorinnen anschließen: du siehst toll, dynamisch und ruhend in dir selbst aus, egal welche Ziffer da nun vor der Null steht. Deine Familienfotos sind klasse, ich mag den Blick in alte Fotoalben, was für mich immer wie ein Guckloch in eine andere Zeit, ja Welt ist. Und du hast recht, die Großeltern waren tief mit der Natur verwurzelt, das hat die Kriegs- und Nachkriegszeit so mit sich gebracht. Damals hatte jeder einen Nutzgarten und wenn der nicht am Haus war, so wurde er irgendwo angepachtet, denn davon lebte man das Jahr über. Und das Wort "tüchtig" passt sehr gut, ich empfinde es auch so, dass die letzten Generationen unheimlich tüchtig sein mussten und dass das in jedem Bild zum Ausdruck kommt. Wenn ich mir heute Fotos anschaue, wollen wir meist ja relaxt oder cool aussehen, am liebsten zeigen wir Urlaubs- oder Freizeitfotos, wer macht schon Bilder von sich bei der Arbeit? Fotos sind auch immer ein Spiegel der Gesellschaft.
    Ich kann deine Dankbarkeit gut nachvollziehen. Bei mir ist sie gepaart mit dem Bedauern, meinen Großmüttern nicht wirklich emotional nah gewesen zu sein, so von Frau zu Frau. Sie gehörten einer Generation an, die nicht so viel über ihre Gefühle sprach...es musste ja gehandelt werden.
    Liebe Grüße und auf weitere schöne Jahre,
    Nina

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  12. Ein wunderschönes Foto, dass ich gleich in meine "Tolle Frauen" Pinterest - Liste pinnen werde! Und natürlich verbunden mit den allerbesten Wünschen für das neue Jahrzehnt, welches sich noch einmal zu genießen lohnt, vor allem, wenn denn die Freiheit von der Erwerbsarbeit kommt...
    Deine Familiengeschichte hat mich auch sehr beeindruckt!
    Herzlichst
    Astrid

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