Mittwoch, 18. Februar 2015

Home is where the heart is /8

Zuhause ist wo das Herz sich niederlässt


Milch gab es in Flaschen, nach ein paar Tagen stockte sie und wir konnten saure Milch trinken. Die mochten wir, sie rutschte in großen Brocken aus dem Flaschenhals und roch angenehm, wir staunten über dieses Wunder. Meine Mutter hängte die Brocken auch manchmal in einer Stoffwindel über einen kleinen Topf, um Topfen (Quark) zu bekommen, schönen bröckeligen. Den gab es dann über Nudeln gestreut, mit zerlassenem Speck oder Zucker. Ein schnelles Mittagessen.
Ich war noch Kindergartenkind, wir lebten in einem Mehrparteienhaus. Im Souterrain wohnte das Hausmeisterehepaar Müller. Frau Müller hatte Oberarme so dick wie meine Oberschenkel und aus meiner Perspektive hatte ihre Brust ausufernd schwammige, anstarrenswerte Ausmaße. Sie kam in einer Breite durch die Türe, dass es ein Wunder war, das sie nie im Türstock steckenblieb. Sie hatte ganze zwei Zähne im Mund, die doppelt so lang schienen als bei anderen Menschen und die beim reden wackelten und sie war so alt, wie ich mir nicht vorstellen konnte jemals selbst zu werden. Wortreich redete sie manchmal auf meine Mutter ein, um unerwartet flink wieder zu verschwinden.



Meine Großmutter wurde 1910 geboren, aus ihrer Kindheit weiß ich nicht viel, aber ein bisschen was schon und so kann ich, wie wahrscheinlich die meisten Menschen auf Erfahrungen aus einem Zeitraum von etwa 100 Jahren mehr oder weniger direkt zurückgreifen. Ich mochte es, wenn meine Großmutter aus früheren Zeiten erzählte, sie tat es nicht, um uns etwas "einizudrucken", sondern einfach, um sich selbst zu erinnern, den Anschluss an alte, ziemlich andere Zeiten nicht zu verpassen und dabei uns auch ein wenig teilhaben zu lassen. 
Auch ich liebe es, ab und zu Geschichten aus der Zeit, als meine Kinder klein waren zu erzählen. Manchmal verdrehen sie die Augen in Nichtschonwiederdiesegeschichtemanier, manchmal aber kommen eigene Erinnerungen dazu. Man staunt, wie unterschiedlich ein und dieselbe Situation  abgespeichert werden kann und wieder kommt eine Facette im Lebensbuch dazu. Nicht dass ich es gut finde in der Vergangenheit zu leben, ich kann das gar nicht, aber das Leben in seinem Reichtum und seiner Vielfalt zu sehen macht Freude und Kontinuität kann Vieles erklären und nachsichtiger machen.

Sich im eigenen Leben zuhause zu fühlen hängt sicher auch damit zusammen, wie sehr wir mit unserer Vergangenheit in Frieden sind...

Zuhause ist, wo das Herz sich niederlässt
Mit diesem Titel ging ich nochmal durch die Monate des letzten Jahres und traf eine Auswahl an passenden Bildern, sodass eine kleine Serie mit noch unveröffentlichten Bildern - zu jedem Monat eines - einen Einstieg in ein Thema ermöglicht, dass unglaublich viele Facetten zeigen kann.
Was verbinden wir mit zuhause, mit sich zuhause fühlen, was alles kann ein heim-eliges Gefühl vermitteln und was braucht es, um einen Ort oder ein Gebäude als zu sich gehörig zu empfinden? 
Ein passendes Foto von Monat zu Monat zu finden war nicht schwer. Das Thema schien mich letztes Jahr zu begleiten, heute denke ich, dass sich zuhause fühlen zu können vielleicht einen weit größeren Einfluss auf unser Lebensgefühl hat, als uns bewusst ist.


  
   

8 Kommentare:

  1. Es gibt ja nix schöneres als die alten Geschichten, wie sie sich beim Erzählen über die Jahre glattschleifen. Die "g'stöckelte Milch" gab's bei uns auch, aber an die hat sich nur die Oma rangetraut!
    Und deine Frau Müller - die war wahrscheinlich grad mal Mitte 50! Deine Serie ist so schön, übrigens.

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  2. Liebe Elisabeth, das ist ein wunderbarer Post und ich mußte sofort an die Zeiten denken, wo meine Oma noch lebte und alte Geschichten erzählte, und jetzt dürfen wir ncoh immer meiner Mama lauschen, wenn sie von damals erzählt ......
    Ich wünsche Dir einen wunderschönen und glücklichen Tag!
    ♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥

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  3. Das ist lustig, ich bin auch gerade auf dem Erinnerungstrip. Nein, ich mochte die gestockte Milch nicht, noch heute könnte ich mich schütteln. Aber die Erinnerungen sind so wichtig, und es ist wichtig, sie zu erzählen.
    LG
    Magdalena

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  4. Ich lese wie es war bei dir und du es liebevoll mit nimmst in dein jetztiges Heim, ich habe Frieden mit meiner Erinnerungen und Vegrnagenheit geschlossen als ich das konnte die Wut und den Hass raus zu lassen was mir meine Kindheit meine Jugend genommen hat von meiner Familie bis zur Oma und Tante, Onkel und bewusst Jahre damit verbracht habe mich zu lieben und anders damit um zu gehen verschüttete Gefühle die nicht kaputt waren wieder hoch zu holen und sie ausleben um ein gesammtheit zu finden führen das ich Leben will und möchte bin ich zu frieden und was ich mit nehmen kann als Erinnerung so möchte ich niemals sein und werden und habe es bis jetzt geschafft. Ich habe die Erinnerungen erzählt gemalt in die Welt hinaus und das schweigen auf gegeben so habe ich jetzt mein Haus der Vergangenheit gereinigt entrümpelt und nur das drin gelassen nämlich die guten Dinge die ich auch erlebt hatte und wenns nur was so gringes ist!
    Wie das heimliche malen mit meines Bruders Farbe für die Modellbasteleien oder die kurzfristige Hilfe die keine wahr nach hinein aber mich gerettet hatte......
    Grenze gestossen nein.. mit deinem Posting ich bin nicht neidisch auf andere Kindheitserinnungen die ich nie hatte die Liebevoll waren ich kann mich heute Freuen drüber es fühlt sich gut an und so kann ich einen wohliges warmes Gefühl spüren von Frieden.
    Du bringst es auf den Punkt und es bringt mir Gänsehaut von rührenden Gefühl ich danke dir auch für dieses Posting und wie wichtig es ist das Heim im Herzen zu sehen was ich gebraucht habe!
    Lieben Gruss Elke

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  5. Dein heutiges Geschichtchen bringt mir sofort Erinnerungen an meine Großeltern mütterlichseits zurück. Ich habe viel Zeit bei ihnen in der kleinen Wohnung verbracht und habe mich immer geborgen und behütet gefühlt. Und ruhig war's da.....Im Elternhaus - wir waren zu fünft - gab es für mich keinen Rückzugsort, den ich immer schon gebraucht habe und immer noch brauche.

    Freitags war Badetag. Beim Einkaufen mit der Oma gab es manchmal was von Tchibo. Das war immer was Besonderes :) Und das Abendbrot bei den Großeltern verdiente auch noch den Begriff. Es gab Brot, Wurst, Käse, Tee. Und wie das geschmeckt hatte! Und Fernsehen durfte ich, bis ich müde wurde. Und dann ab ins Bett, in dem schon eine Heizdecke! ihren Dienst geleistet hatte. Zugedeckt mit einem Federbett, das fast bis unter die Decke ging ;)

    Ja, da habe ich mich zu Hause gefühlt.....da war ganz viel Herz....nicht nur meines.

    Danke für Deine Serie, Elisabeth, die so viele schöne Erinnerungen geweckt haben :)



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  6. Liebe Elisabeth,
    ja, an die stockende Milch kann ich mich auch noch erinnern. Heute ist sie einfach nur "hin", wenn das passiert, aber sie ist jetzt ja sowieso schon immer "länger frisch" ;o)) Und deine geschichte lässt mich an die Hausmeisterin Frau Pisny denken, die äußerst furchteinflößend war (auch sehr füllig, aber noch mit allen maßgeblichen Zähnen... und entsprechend "bissig" ;o)) Erzählen ist gut, auch wenn manche die Augen verdrehen. Mir fällt dazu ein Jugendbuch, eine Indianergeschichte ein, die hieß "Hrenki und das große Lied" - http://www.amazon.de/Hrenki-Gro%C3%9Fe-Lied-Erich-Wustmann/dp/3545351084 - wo Geschichten eine extrem große Rolle gespielt haben - es war notwendig, sie am Lagerfeuer sitzend immer wieder zu erzählen und zu wiederholen und im Kopf zu behalten, weil nur dadurch der Stamm weiter existieren konnte... und so ist es mit Familiengeschichten ja auch. Ohne die Geschichten, die mir vor allem meine Mutter von meinen Ahnen erzählt hat, wäre ich um einiges ärmer an eigener Geschichte...
    Ganz liebe Rostrosengrüße
    von der Traude

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  7. Hab hier noch eine kurze Inhaltsangabe gefunden: http://www.djlp.jugendliteratur.org/datenbanksuche/jugendbuch-3/artikel-hrenki_und_das_grosse_lie-2584.html
    (Ich bin so stolz auf mich, dass ich mir den Titel des Buches bis heute gemerkt hab ;o))

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