Dienstag, 15. März 2016

Eintausend / 3

Kilometer in den Südwesten.

Genua kennen wir vom Wetterbericht. Wenn große Mengen an Niederschlag von Südwesten her ins Land strömen, brauen sie sich im gleichnamigen Golf zusammen bevor sie die gespeicherte Feuchtigkeit über unsere südlichen Landesteile ergießen. Italien hat so viele wunderschöne Regionen und Städte zu bieten, dass man eher nicht auf die Idee kommt gerade diese, an die Hänge des Appenin angelehnte Stadt am nördlichsten Ende des Ligurischen Meeres zu besuchen. Vor dreißig Jahren hatte diese für Italien wichtige Hafenstadt auch kaum etwas außer Verkehr, Dreck und heruntergekommene Viertel zu bieten. Das hat sich gründlich geändert, ein schönes Beispiel für Visionen in der Stadterneuerung und die Wirkung von klugen Stadtentwicklungskonzepten und deren Umsetzung.


                        Blick von einer der schmalen Gassen der Hafenaltstadt Richtung Hafen

Warum fährt man im Winter von Wien dahin? Eigentlich nur, um dort ein Schiff zu besteigen und dann plötzlich überrascht festzustellen, dass diese Stadt zwar keinen lieblichen, aber durchaus einen ganz eigenen Charme und einiges zu bieten hat, was wir zuhause nicht haben und auch manches, das ich hierzulande vermisse. 
Um ehrlich zu sein, allzuviel Zeit hatten wir nicht und doch bekam ich nachhaltige Eindrücke von dieser quirligen Großstadt, ganz besonders vom Hafenviertel. Alte Paläste erinnern an vergangenen Glanz und Reichtum, dem gegenüber steht eine gelungene Erneuerung und Revitalisierung des Stadthafens mit Attraktionen wie einem modernen Meerwasserzoo (seit 1992) und einem Schifffahrtsmuseum (seit 2004).



Im alten Hafenviertel tut sich mächtig was. Es gibt fast nichts, was man hier nicht erwerben könnte. In einem kleinen Umkreis von verwinkelten Gassen findet die bunte Vielfalt an Kunden alles, was man so zum Leben braucht in teilweise winzigen Geschäftslokalen. Man kann einwenden, dass hier nicht viele reich werden können, aber leben und wirtschaften können hier viele und ein bisschen was geht ja schließlich immer.






Unter den Arkaden gegenüber vom Hafen verbergen sich allerlei winzige Fachgeschäfte, kleine Fastfoodbuden und Cafés, hier sitzt man schon im Februar draußen, wenn es das Wetter erlaubt.





Fisch, frisch oder fertig zum genießen in der Mittagspause. Raum ist in der kleinsten Hütte (oder davor).





Mit der Stadterneuerung zu Ende des letzten Jahrhunderts kam man hier zu atemberaubenden Lösungen für den Verkehr. Im ersten Moment bleibt einem der Mund offen stehen. Zu sehen, wie auf engen Raum eine Hochstraße zwischen dem neuen Hafen und einem alten Stadtteil diese Bereiche in der Höhe durchschneidet ist gewöhnungsbedürftig (an den Lärm werden sich die Bewohner wahrscheinlich nie gewöhnen können), die Vorteile dieser Lösung liegen allerdings auch auf der Hand.




In den nächsten Bildern gehen wir zu eine andere Perspektive. Kreuzfahrtschiffe sind von ihrer "Einwohnerzahl" wie kleine Ortschaften und von ihrer Größe wie mehrere Hochhäuser nebeneinander. Vom "14. Stock" her gesehen verliert die auf ebener Erde bedrohlich wirkende Stelzenstraße ihren Schrecken und zeigt ihre Vorzüge, der Verkehr fließt hier ungehindert. Der Hafen selbst besteht aus unzähligen einzelnen Hafenbecken und Bereichen, verschiedene Terminals für große Fähren und Schiffe. Yachthäfen, Werften, Frachthäfen, Lagerhallen und Büros wechseln sich ab, ein eigenes faszinierendes Universum.


Die Stadt legt sich über mehrere Hügel, auf den ersten Blick sieht man nur große Gebäude. Kaum kleine Häuser, Kirchen muss man suchen, sie verschwinden fast im Häusermeer. Man hat fast den Eindruck, dass alle, die hier wohnen morgens beim ersten Blick aus dem Fenster aufs Meer schauen wollen. Auf dem Bild oben sieht man die Zufahrten zu den Kreuzfahrtterminals, auf der oberen Etage ist neben Zu- und Abfahrten ein breiter Boulevard zum flanieren entlang des Hafens entstanden. Im Bild unten blicken wir über die Hochstraße hinweg zu einem Palazzo mit barocken Brunnen und Gartenanlage, die ehemals wohl imposante Aussicht von den Fenstern aus auf den Hafen und aufs Meer ist verstellt, das tut schon weh.




Zwischen diesen beiden Bildern mit derselben Blickrichtung liegen 10 Tage und ein zweites großes Schiff, das sich gerade auf seine Parkposition schiebt. Wie immer man zu dieser Art von Reisen steht, Fakt ist, dass so manche Stadt die seit den letzten ungefähr zehn Jahren von Kreuzfahrtschiffen angefahren wird einen sichtbaren Aufschwung erlebte. Hier in Genua spielte der Tourismus vor ein paar Jahrzehnten keine Rolle. Nun hat man hat den Eindruck, die Stadt hätte ihre Chance genützt. 



In Genua leben mehr als eine halbe Million Menschen, die Stadt lebt von und mit seinem Hafen, er gibt ihr ihre Identität und ihr Selbstbewusstsein. Der Springbrunnen vor dem schönen Gebäude der Stazione Marittima zeugt davon. 



So ganz nebenbei hat sich diese Stadt in mein Herz geschlichen. Sie strahlt etwas Unverwechselbares aus, Vielfalt auf engem Raum und Ausdehnung in Richtung Meer geben eine spannende Mischung, die Lust auf ein näheres Kennenlernen macht. Ob ich wiederkommen und mehr Zeit haben werde? Ich weiß es nicht. Es sind doch etwa an die 1000 Straßenkilometer von Wien entfernt und damit ein weiteres Ziel auf dem gedachten Kreis mit dieser Entfernung von Wien. 
Da fällt mir eben ein, es gab schon lange keinen Beitrag mehr von meiner Hauptstadt. Sträflich vernachlässigt! Wenn aber die Welt rundherum doch auch so interessant ist!

Hier sind alle bisherigen Folgen der Serie Eintausend nachzulesen. 

Genua in der Provinz Ligurien, Italien
Deruta in der Provinz Umbrien, Italien
Mecklenburgische Seenplatte in Mecklenburg Vorpommern, Deutschland








7 Kommentare:

  1. danke fürs Erinnern an Genua, das ist eine Stadt, an die man bei einer Italienreise eigentlich gar nicht denkt, sie ist für uns auch ein bissl "abseits". Ich war ca. 2x in Genua und im bergigen und einsamen Hinterland, ist auch schon fast 10 Jahren her. Mir hat Genua ganz gut gefallen, die engen Gässchen, dann wieder prächtige Palazzi und der Hafen!
    Wenn es dich interessiert, hier (http://fliederbaum.blogspot.co.at/2013/09/urlaubskochevent-und-branzino-alla.html) habe ich einen Beitrag gepostet.
    lg

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  2. Ein wunderbarer Einblick in Italiens Stadt Genua, wie interessant diese Stadt ist. Ich war mal als Kind dort und es prägte mir nichts gutes ein aber das war einmal. Heute wenn ich könnte würde ich es auch mal mit diesem Flair erleben wollen. Naja dafür hast du die Reise getan und gezeigt was davon das war sehr schön.
    Lieben Gruss Elke

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  3. Ich kenn die Stadt eigentlich nicht, habe nur einmal 1974 eine Nacht dort in meinem VW-Käfer schlafend hinterm Bahnhof verbracht :-D
    Aber du machst neugierig...
    Guten Nacht!
    Astrid

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  4. Mit einem Satz: Die Stadt hat Charaker, das find ich toll! Mir drängte sich sofort etwas auf, als ich die Wäscheleinen sah: Ich gehe darunter vorbei und mir stülpt sich eine Unterbux über den Kopf! Haha.
    Danke für deine Erklärungen und Impressionen, da war ich irgendwie ein bisschen dabei.

    Sigrun

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  5. Ein Reisebericht ist doch was tolles - ein bisschen kenne ich Genua jetzt. Und du in deinem lila Podemos-Outfit, Klasse!

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  6. Liebe Elisabeth,

    ich war noch nie in Genua, unter anderem wohl weil die Welt an sooo vielen Orten so interessant ist und mich noch nichts hingelockt hat. Aber zumindest habe ich jetzt mal ein positives Bild davon im Kopf, also falls sich die Gelegenheit ergibt, werde ich sie nicht ausschlagen. Generell geht’s mir ja bei Städten am Meer so, dass ich mich wohl fühle. Ich mag Österreich, aber ein bisserl Meer hätt ich doch gerne, allein schon wegen des Geruchs … Neid der Binnenländerin. (Die alten Grenzen Österreichs wären mir da quasi die lieberen ;o)) Du hast auf wunderbare Weise Farbe in die Stadt reingebracht! :o)

    Herzliche Rostrosengrüße

    von der Traude

    und ich bin gespannt aufs nächstwöchige Wetter ;o) [Die Vorschau wirkt ja schon mal nicht schlecht ….]

    http://rostrose.blogspot.co.at/2016/03/a-new-life-3-keiner-ist-zu-klein.html

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