Donnerstag, 10. September 2015

Kein Jakobsweg

"It keeps me going" sagt sie und geht mit winzig kleinen Schritten vor mir her ins Haus. Ihre Haltung und ihre Worte sprechen von viel Geschichte, Margaret ist immerhin stolze 75 Jahre alt und betreibt ihr Bed and Breakfast mit dem Ernst und der Hingabe eines Menschen, der tut was ihm zu tun geboten erscheint. "Was it tea or coffee" fragt sie nach, meine Antwort davor ist in den zwei Sätzen danach versickert. Margaret ist um mein Wohlergehen besorgt, wie  die vielen Jahre um alle, die hier für die Nacht eine fürsorliche Aufnahme - a warm welcome - gefunden haben. 



Black Valley, ein enges Tal zwischen den Bergen, abgeschnitten von den Hauptverkehrsrouten, ein paar Farmhäuser, ein paar wenige Ferienhäuser. Ganz in der Nähe die größte Touristenfalle Irlands, den berühmten Steinwurf weg und doch scheint hier der Trubel Lichtjahre entfernt. Direkt vor dem Haus führt der Kerry Way, ein Weitwanderweg der die größte Halbinsel des Südwestens zu Fuß erlebbar macht vorbei, an den Hängen der Macgillycuddy´s Reeks und dem höchsten Berg Irlands. Der Blick von meinem Zimmerfenster eröffnet eine malerische Landschaft, im Hintergrund eines der Killarney Seen, das Wetter wechselt minütlich. Da draußen ist Programm vom Feinsten.



Wem der Jakobsweg in Spanien zu überlaufen ist, hier gehen pro Tag in der Hochsaison ein paar Leute durch und in den nicht einmal ein halbes Dutzend Herbergen am Ende einer Tagesetappe ist immer noch das eine oder andere Zimmer frei. Das erstaunt mich immer wieder! Eine Landschaft zum niederknien und man kann alleine sein, wenn man das möchte. 
Mitte August herrschte prächtig irisches Wetter, mal ein Schauer, dann wieder Sonne, dramatischer Himmel und auch mal Schäfchenwolken.



Ich blieb drei Nächte, trieb mich auf Abschnitten des Weitwanderweges herum und bereute, kein Abendessen bei meiner Gastgeberin bestellt zu haben, als ich am Abend das Haus betrat duftete es herrlich nach Stew. Margaret hatte für deutsche Gäste gekocht, die den Kerry Way erwanderten und nach ihrer Ankunft nach der Tagesetappe erstmal eine ordentliche Stärkung brauchten. Pub gibt es an diesem Abschnitt keines. Zwischendurch kam ich mit Margaret ins Gespräch, sie zeigte mir ihre Familie auf den Fotos und ihren Ehemann. Vor vier Jahren sei er am Weihnachtsabend gestorben. Diese Info muss erst mal sickern, betroffen frage ich sie, wie sie das verkraftet hat. "I hate Christmas" gibt sie mir trocken und unmissverständlich zur Antwort....



Vor meinem Fenster grast eines der Pferde, die für die Einspänner im Killarney Nationalpark die Wägen ziehen, um den Touristen die romantische Landschaft auf "romantische" Art näherzubringen. Margarets Sohn, der ein Haus weiter wohnt besitzt solche Pferde, die sich hier wunderbar stärken können.



Ein Plätzchen mit Aussicht, Kamelienbüschen und Pelargonien am Fenster, irgendwie schnuckelig und es bleibt kein Zweifel darüber, dass der Sommerhimmel genug für das Gras getan hat...



Auf meiner Weiterfahrt muss ich durch den Gap of Dunloe und breche früh auf. Hier steppt der Bär sobald es gegen 10 Uhr morgens geht, das kann man nicht glauben. Auf einer Länge von etwa 10 Kilometern schlängelt sich eine einspurige Straße mit einigen Ausweichbuchten durch die berühmte Schlucht. Mietautos mit verzweifelten Ungewohntlinksfahrern, dazu am laufenden Band Pferdewägen, Radfahrer und Fußgänger, die alle versuchen friktionsfrei das andere Ende der Strecke zu erreichen und das in beide Richtungen wohlgemerkt. Margaret meint, das geht schon, sie war gestern Nachmittag drüben auf der Post, mir bleibt die Spucke weg. Ich habe die Angebote in der Broschüre gelesen und es wundert mich nichts mehr. Zu Fuß braucht man für die Runde mit anschließender Bootsfahrt zurück nach Killarney sicher einen ganzen Tag, was schön (relativ, wenn man den "Verkehr" bedenkt) ist, aber Zeit braucht. Mit dem Pferdewagen ist dann sicher noch Zeit für einen ausgedehnten Einkaufsbummel in der Stadt.

Und ein paar Schritte auf die Seite ist alles friedlich, ruhig und einsam...




Hier noch zwei Fotos von Seele-(d)tankt-Stationen. Einatmen, ausatmen...





Inzwischen haben sich auch hier in Österreich die Temperaturen an die des Sommers in Irland angeglichen, es herbstelt ein wenig. In der Nacht ist es richtig kalt und auch das Haus verliert nach und nach seine gespeicherte Wärme. Ich erinnere mich zurück an mein winziges Zimmer, in dem ich im Bett sitzend, fest in der Decke eingepackt (die Iren haben es in den Häusern frisch) den Abend verbringe. Lesen oder doch lieber aus dem Fenster schauen? Immer diese Entscheidungen! Irgendwann wird es auch hier dunkel und ich ziehe die Decke über die Ohren, so früh, wie ich es niemandem glauben würde, der das von mir behauptete...


5 Kommentare:

  1. Liebe Elisabeth,
    ich danke Dir für diesen wundervollen Post! Ich habe Bilder und Worte aufgesogen! Ein traumhaftes Fleckchen Erde hast Du da bewandert!
    Ich wünsche Dir noch einen wunderschönen Nachmittag!
    ♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥

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  2. ...ich kann nur sagen "wunderschön", liebe elisabeth! einatmen - ausatmen.....
    alles liebe und bis (hoffentlich) bald
    margit

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  3. Liebe Elisabeth, was für wunderbare Eindrücke von deiner drei Tage Aufenthalt in Irland .. diese Landschaft und so ausserhalb dass du diese Ruhe geniessen konnest abschalten von all dem Trubel bei dieser netten Gastgeberin.. ach und die zerigen Frühstückstische.
    Weiter machen heisst die Devise bei ihr ihr bleibt ja nichts anderes übrig das finde ich gut!
    Danke für diesen schönen Bericht!
    Lieben Gruss Elke

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  4. Wie schön du das beschrieben hast - back to roots! Das Einfache genießen! Die Briten haben es auch kühl - rund um die Uhr, und jedesmal gibt es Stress, wenn ich auf die Heizung bestehe.
    Deine Landschaftsbilder sind herrlich, wenn ich mal nach Irland fliegen möchte, kontaktiere ich dich vorher, du kennst die wirklich interessanten Stellen.

    Sigrun

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