Mittwoch, 22. Juni 2016

Mädesüß und Flockenblume

Wanderung mit Lisbeth, einer befreundeten Kräuterpädagogin. Eine kleine Gruppe Interessierter macht sich auf, um Pflanzen auf eine neue Weise kennenzulernen und zu verknüpfen. Mir fallen die Waldkindergärten in Deutschland ein. Kinder verbringen den größten Teil des Tages im Freien, sie werden als Erwachsene einen anderen Zugang zur Natur haben. Wieder so eine Geschichte. Man geht durch die Wiesen und kennt vieles was da wächst nicht.

In vier Stunden verkosten wir wilden Lauch, Rotklee, Triebspitzen und junge Blätter von Linden (sooo lecker!), Beifuß, Spitzwegerich und einiges mehr. Wir nehmen Blätter und Blüten mit, für einen Topfen-Kräuteraufstrich (Kräuterquark) den wir im Anschluss gleich herstellen und genießen werden.



Die Gräser reichen uns bis zur Brust, dazwischen blühen gerade unzählige Wiesenblumen und Kräuter. Solche Wiesen gibt es nicht mehr viele, diese hier auch nur, weil sich in der Nähe Abnehmer für Heu solcher Art finden. Wie kann man sich mit Wildkräutern vertraut machen und ihren Wert erkennen, wenn Vielfalt nur mehr an wenigen Orten gegeben ist, frage ich mich.




Mädesüß (Filipendula ulmaria) also, sie dominierte die Wiesen. Eine hochaufragende Pflanze mit schwebenden Blütenrispen. Eine prominente Heilpflanze, jedenfalls damals, als Wirkstoffe noch nicht synthetisch zusammengestellt worden sind.
Das Mädesüß ist auch Namensgeber des Medikaments „Aspirin“. Lange Zeit wurde aus den Blütenknospen des Mädesüß Salicylsäure gewonnen, ein entzündungshemmender Wirkstoff, der heute synthetisch als Acetylsalicylsäure hergestellt wird. Der Markennamen „Aspirin“ setzt sich aus „A“ wie Acetyl und „spirin“ zusammen. „Spirin“ wurde abgeleitet von den Spiersträuchern (Spirea), denen das Mädesüß damals botanisch noch zugeordnet wurde.
Bei den keltischen Druiden wurde das Mädesüß als Duftpflanze genutzt, indem man seine Blüten auf den Fußboden streute. In England wird es Duftpotpourris zugesetzt. Es war angeblich auch die bevorzugte Aromapflanze von Königin Elisabeth I.
Das Mädesüß eignet sich mit seinem süßlich herben Geschmack zum Aromatisieren von Speisen und Getränken, vor allem in der französischen oder belgischen Küche findet es daher gerne Verwendung. Auch zum Würzen von Met wurde es früher verwendet.
Quelle: http://gesund.co.at/maedesuess-heilpflanzenlexikon

Neben all den Heilkräutern sticht plötzlich eine Rarität ins Auge, eine zarte kleine Orchidee, zum Glück sind wir nicht daraufgetrampelt.


Ein bisschen dasitzen und das Ganze wirken lassen. Eine klare Heiterkeit umgibt uns. Die Natur so verschwenderisch mit ihren Geschenken. Hier wird nicht gedüngt, gerade deswegen herrscht Gleichgewicht und Fülle. Alles was hierher passt kann hier wachsen, alles was genau diesen Boden mag findet genug Platz zwischen all den anderen Arten, findet seine Nische und kann einen vollen Zyklus durchlaufen. Wie selten das in dieser Gegend geworden ist!



Noch ein Beispiel: Die Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) hat im Unterschied zum Mädesüß schon jeder gesehen. Sie wächst verbreitet auf Waldwegen und Wiesen.
Beinamen wie Gottheil oder die englischen Bezeichnungen Self-Heal und Allheal belegen, dass die Kleine Braunelle in früheren Zeiten auch in Europa als Heilpflanze geschätzt und sogar als eine Art Universalheilmittel gepriesen wurde. Volksheilkundlich wurde sie bei Entzündung und Geschwüren im Mund- und Rachenraum, bei Magen-Darmerkrankungen, zur Fiebersenkung und zur Wundheilung verwendet. Nach der Einführung chemischer Medikamente geriet sie – wie so viele pflanzliche Heilmittel – weitestgehend in Vergessenheit.
Quelle: http://www.wildkrautgarten.de/2014/08/04/die-kleine-braunelle-ein-vergessenes-allheilmittel



Wir sammeln nicht allzu viele verschiedene Pflanzen, schließlich wollen wir uns einiges merken und in unser Alltagsgedächtnis integrieren. Bei der Wiederholung tun sich schon breite Lücken auf, ach herje, das darf es doch nicht geben! Ich wiederhole und versuche mir einzuprägen...



Nun aber zum kulinarischen Teil.


Gemeinsam werden die gesammelten Kräuter verarbeitet, alles appetitlich angerichtet und dann unter dem Blätterdach einer Akazie verspeist. Wir sitzen da, genießen die abendliche Sonne und eine gewisse Nachdenklichkeit liegt in der Luft. Ein Tag ohne Handy ist für uns kaum mehr vorstellbar, hingegen in einer Wiese zu sitzen fühlt sich fast schon ein bisschen luxuriös an...



Mir scheint, es hat bei einigen Klick gemacht. Die anfängliche Scheu etwas einfach so von der Wiese zu pflücken und in den Mund zu stecken machte mehr und mehr Neugier Platz. Wie würde dieses oder jenes schmecken. Oh der wilde Lauch ist richtig scharf! Geht das überhaupt? Es ist ja nicht aus dem Supermarkt, nicht einmal aus dem Garten. Muss man da nicht höllisch aufpassen, um nicht an etwas Giftiges zu geraten, mit schlimmen Folgen oder so? Unsere engagierte Lehrerin probiert einen Pilz, sie leckt an der Schnittfläche, ahhs und ohhhs raunen durch die Gruppe. Aber siehe da: Man stirbt nicht so schnell. 



Mit ein paar Pflanzen bin ich vertraut geworden, ab nun werde ich sie immer erkennen. Ob das wichtig ist? Ich denke ja! Man achtet etwas viel mehr, wenn eine Beziehung aufgebaut werden konnte. 
Das süße Mädl und der flockige Junge hüpfen durch unsere Erinnerung, sie werden uns noch lange begleiten und hoffentlich viele Geschwister bekommen





14 Kommentare:

  1. Liebe Elisabeth,
    Du sprichst mir aus dem Herzen. Deine Worte zu lesen, ist als ob frau mit durch diese Wiese streift. Diese Vielfalt auf einer Wiese ist in der Tat zu etwas Besonderem geworden... und es ist erstaunlich, wie sie alle miteinander zurechtkommen. ...und Deine kleine Bienen-Ragwurz ist allerliebst. Mir sind gestern auch einig begegnet ... auf einer Wiese im Naturschutzgebiet. Mögen uns noch lange diese WUNDERvollen Flecken erhalten bleiben. Danke für Deinen „Wiesenbericht“.
    Herzlichst Christine

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  2. Wunderschön, dein Wildkräuter-Ausflug. So bezaubernde Fotos. Die kleine Orchidee....süß :)Und am liebsten würde ich mir jetzt eines dieser Kräuterbrote schnappen - zum Reinbeißen! Ich bin auch gerade an diesem Thema. Für ein Wildkräuter-Buch darf ich 25 Gerichte kochen und fotografieren. Nicht immer einfach, das richtige Kräutlein zu finden - aber spannend.

    Lieben Gruß und einen sonnigen Sommertag wünscht dir *Hanne* :)

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    1. Wow, gratuliere, das ist ja ein wunderbares Projekt! Bin schon neugierig auf das Ergebnis. Es wird sicher wunderschön!

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  3. wunderschön. Ich liebe Kräuter und Kräutermedizin. So interessant und schön.
    LG susa

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  4. aCH Elisabeth, da geht mr ja das herz auf.
    gestern hab ich die wiesenkönigin-mädesüß geerntet, für fiebertee in fiebrigen zeiten. gehe ich hier auf dem deich entlang, wo diese pflanze zu hauf blüht, kommt mir ein süßewr honigduft entgegengeflogen.
    die idee die pflanzen zum schluss auf einem tuch auszubreiten finde ich genial.
    ich tu mich momentan noch schwer mit der schreiberei.
    lg heidi

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  5. Liebe Elisabeth,
    für eine Wanderung durch eine so herrliche und vielfältige Wildkräuterwiese, da würde ich gern tagelang auf Handy und ähnliches verzichten! BEi uns gibt es leider keine solche herrlichen Wiesen ...aber, Dein Bericht erinnerte mich an den letzten besuch am Tegernsee, wo wir viele Wanderungen gemacht haben, und eine ähnliche , herrlich duftende Wildkräuterwiese war auch dabei!
    Die Leckereien am Ende haben diesen herrlichen Ausflug perfekt abgerundet!
    Danke für diesen wunderbaren und lehrreichen Post!
    Hab noch einen wundervollen Nachmittag!
    ♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥

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  6. Liebe Elisabeth,
    das war ein wunderbare Idee so was mit zumachen und so interessant was so auf einer Weise gibt und das zuerleben mit noch Essbares dazwsichen ..Toll finde ich so was! Viel zu wenig kennt man die Pflanzen die man auch essen kann.
    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!
    lieben Gruss Elke

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  7. Super, erinnert mich an die Polis Touren (Ulla, Huhky, Stefan und ich) nach Pankrazi, wo wir dann tagelang nur von Kräutern, Mehl, Salz und Wasser gelebt haben. Damals kannte ich noch mehr essbares an Kräutern ...

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  8. Ooooh, liebstige Elisabeth, das wäre auch etwas für mich gewesen! Gibst du mir bitte Bescheid, wenn wieder so eine Wanderung stattfindet? Vielleicht habe ich ja Zeit! Zwar kenne ich durch meine Mutter einige Kräuter und z.B. auch Lindenblüten für den Tee - aber dass man ebenso die Blätter essen kann, wusste ich bisher nicht und auch sonst habe ich noch viel zu viele Wissenslücken, was Essbares aus der Natur betrifft. Die Fotos, die du mitgebracht hast, wirken wunderschön auf mich - und die vom Essen sehr verführerisch! ;-)
    Alles Liebe von der Traude
    http://rostrose.blogspot.co.at/2016/06/ziemlich-kurzer-kurzurlaubs-und.html

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  9. Liebe Elisabeth, Danke schön fürs mitnehmen. Ich würde mir Deinen Post am liebsten ausdrucken!
    Es gibt nicht mehr viele solche Wiesen, das ist ein grosser Verlust.
    Bei einer solchen Wanderung wäre ich gern dabei ... liebe Grüsse
    Elisabeth

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  10. Eine Wanderung ganz nach meinem Geschmack! Wunderbar eingefangen, und ja, wie freigiebig, die Natur doch ist. Liebe Grüße Petra

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  11. So eine Kräuterwanderung ist wirklich super. Die Eindrücke von Deiner sehen besonders schön aus. So mitten im Sommer, in aller Fülle. Ich war mal bei einer Kräuterwanderung im Frühjahr dabei und habe viel gelernt. Es ist erstaunlich was man alles essen kann und wie gut es schmeckt.

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