Vorbei an einer ausgesuchten Schönheit geht es zu den Geleisen, davor bieten kleine Flugdächer Schutz vor Regen. Wir stehen vor dem Bahnhof meiner Bezirksstadt Mödling. Der Bahnhof einer Schulstadt, Tausende Schüler finden sich hier für kurze Zeiten des Tages ein. Und Pendler, nach Wien, von Wien. Einer der sicherlich am stärksten frequentierten Plätze der Stadt, ganz und gar kein verschlafener Bahnhof also.
Mitten da, mit sorgsam verbautem Fuß, wächst ein Blauglockenbaum und gegenüber noch einige seiner Brüder. Welch eine Pracht in dieser nüchternen Umgebung. Aber auch ein Beispiel dafür, wie "unsichtbar" sich Bäume machen und oft nur "sichtbar" werden, wenn sie gefällt werden mussten. Weil sie dann fehlen, sehr fehlen. Bis dahin sorgen sie für ein besseres Mikroklima, schlucken Lärm und bieten Schatten und natürliche Kühle an heißen Tagen. Ich bin mir sicher, dass viele verneinen würden, wenn man sie fragte, ob an dieser Seite des Bahnhofs ein Baum steht. Denke an einen öffentlichen Platz in deiner Nähe und versuche dich zu erinnern, ob und wo da Bäume stehen und überprüfe das. Du wirst staunen, da bin ich sicher!
Selbst an solch einer spektakulär schönen Baumart sieht man leicht vorbei, wenn der Kopf voll ist mit Einkaufslisten, Liebeskummer, Zuspätkommangst. Auf der anderen Seite des Bahnhofs ein kleiner Park und Bänke, hinter den Taxistandplätzen. Da atmet es sich gleich leichter, daran würde man sich vielleicht erinnern. Dort sich hinsetzen weniger. Es eilt, das Leben eilt, es eilt immer. Die Züge warten nicht, wer zuletzt zum Bus kommt quetscht sich mit Schultasche vielleicht nicht mehr hinein und muss auf den nächsten Bus warten, tägliches Gerangel.
Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa) hört in Österreich auch auf den Namen Kaiserbaum, überliefert als Lieblingsbaum des Kaisers Franz Joseph. Der Monarch, der viele Jahrzehnte ein verhältnismäßig großes Reich in Europa regierte und dessen Todestag sich im November zum hundersten Mal jährt. Der Kaiser starb in bewegten Zeiten und kurz nach seinem Tod endete die jahrhundertelange Führung Österreichs durch das Herrscherhaus der Habsburger.
Faszinierend an dieser Zierbaumart auch, dass die schönen Samenkapseln über den gesamten Winter auf den Zweigen hängen bleiben. Als wollten sie den Eilenden zurufen, das Leben auch mal gemach gemach zu leben. Einen Kontrapunkt zu setzen. Innezuhalten, zu schauen, zu fühlen. Hier am Bahnhof: Seht, die Zeit steht auch mal still.....
Mein Großvater mochte den Kaiser. Er war Kaufmann in einem sehr kleinen Dorf südlich des Balaton im ungarischen Teil der Monarchie Österreich-Ungarn, er taufte seinen Erstgeborenen, meinen Vater auf den Namen des Kaisers, Ferenc Jozsef. Das war lange nach dem Zusammenbruch des großen Reiches. Mein Vater kam nach Wien und unterrichtete viele Jahre an der Gartenbauschule, die sich auf dem Areal des Schlosses Schönbrunn, dem Prachtsitz der Habsburger und Hauptsehenswürdigkeit Wiens, befindet. Das hat meinen Großvater sicher mit Stolz erfüllt und der Welt wie er sie mochte ein bisschen mehr Farbe gegeben.
Nun, ich glaube nicht, dass der Kaiser diesen Baum nur deshalb bevorzugte, weil die Farbe der Blüten auf den Adel hinzielte - blaublütig eben - denn eine majestätische Erscheinung bietet der Blauglockenbaum in jedem Fall, besonders zur Zeit der Blüte. Es gibt nicht so viele Bäume hier in unseren Breiten, die so prunkvoll blühen, die Farbe, auch ein bisschen ins zartviolette gehend tut ihr übriges. Die Samen allerdings erinnern so gar nicht an Kronen, eher an die Schellen der Hofnarren und Joker auf Spielkarten. Der Hof lässt auch da grüßen.
Hundert Jahre nach dem Frühling, in dem der alte Kaiser zum letzten Mal die Blüten seines Lieblingsbaumes bewundern konnte, muss Österreich und Europa wieder in herausfordernden Zeiten bestehen und zu neuen Lösungen kommen. Was kann man mitnehmen, was hinter sich lassen? Was zu neuer Blüte bringen?
Einen Blauglockenbaum wollte ich in meinem Garten pflanzen, allein die Lücke, die sich auftat scheint zu klein. Soll ich es versuchen? Vielleicht als Tribut an den Großvater, als Erstgeborene mit einem, in Adelskreisen durchaus beliebten Vornamen? Ein Hauch Klischee und Nostalgie aus alten Zeiten? Dem Baum wäre es egal, er müsste sich plagen um zu überleben, seinen Raum nehmen und sich mit den jungen Birken einigen. Ich überlege noch...
Mehr Infos zum Blauglockenbaum hier.
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Liebe Elisabeth,
AntwortenLöschender Blauglockenbaum ist ja ein Traum! Danke für diese herrlichen Bilder!
Ich wünsche Dir ein wundervolles Wochenende!
♥ Allerliebste Grüße , Claudia ♥
P.S. Entschuldige, wenn ich derzeit nicht immer zum kommentieren komme, lesen tu ich aber immer ;O)
Viele gute Grüne. es mit den blauen Glocken in deinem Garten zu versuchen - und wunderbare Bilder mit schönen Gedanken drumherum übrigens!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Christiane
Was für eine Pracht! Ich mag den Blauglockenbaum auch sehr und freue mich über jeden einzelnen, den ich jetzt in Wien in voller Blüte sehe!!
AntwortenLöschenIm Garten würde ich ihn bei mir nicht so wollen, er ist gar so lang kahl und wird riesig... lg
Danke für diesen wunderschönen und informativen Eintrag!
AntwortenLöschenUnd ja: setze diesen Baum in Deinen Garten; ich meine, er wird wohl gedeihen und bestehen und Dir viel Freude machen..
Herzliche Grüße
Elena
Liebe Elisabeth, ist das ein wunderschöner Post.
AntwortenLöschenIch komme immer schnell vorbei zum lesen, hab momentan so wenig Zeit zum kommentieren ... aber ich bin da!
liebe Grüsse, ich wünsche Dir ein schönes Wochenende
Elisabeth
Dieser Kontrast zwischen dem leuchtenden Baum und der Umgebung ist wunderbar eingefangen. Das ist etwas sehr Besonderes.
AntwortenLöschenLG
Magdalena
Was für ein Baum diese Blüten und die Kapseln wunderbar ich kann deine Begeisterung verstehen!
AntwortenLöschenEin wundershcöne Posting!
Lieben Gruss Elke
Ja, der Kaiserbaum...ein bisschen empfinde ich ihn auch zu mir gehörig ( mein Geburtsname ist Kaiser ). Entdeckt habe ich zum ersten Mal Ostern im wundervollen Dubrovnik beim Spazieren auf der Stadtumwehrung. Auf meinem Weg zur Schule, an der ich am längsten ausgehalten habe, gab es auch zwei. Immer wieder hatte ich vor, sie aufzusuchen. Du erinnerst mich nun daran.
AntwortenLöschenBon week-end!
Astrid
Liebe Elisabeth, bei der Historie würde ich dem ungewöhnlichen und sehr schönen Blüh-Baum im eigenen Garten eine Chance geben! LG Petra
AntwortenLöschenWunderschön..., die Astrid hat mich heute hergelockt, denn neulich sahen wir im Wiener Donaupark so einen herrlich blühenden Blauglockenbaum... ;-). Liebe Grüße von einer großen Baumfreundin - Ghislana
AntwortenLöschenIch würde dich gern einladen. Monatlich am letzten Sonntag veröffentliche ich einen Baumfreunde-Post zum Verlinken für andere Baumfreunde, heute Nr. 39. Ich würde mich riesig freuen deinen Blauglockenbaum dabei zu haben ;-). Einen schönen Sonntag dir und lieben Gruß Ghislana
LöschenHallo Elisabeth,
AntwortenLöschenhier kenne ich keinen einzigen so großen Blauglockenbaum.
Die bei euch sind ja wahre Prachtkerle. Die Samenkapseln finde ich auch immer sehr dekorativ.
VG
Elke