Kennt ihr einen der erfolgreichsten Tomatenzüchter der Welt? Nein? Dann habe ich euch vielleicht ein wenig neugierig gemacht und ihr lest hier weiter. Es wird eine spannende Reise, das kann ich versprechen...
Ohne Paradeiser, wie wir hier im Osten Österreichs zu den Tomaten sagen, ist ein Gartensommer für mich nicht denkbar. Es gab natürlich immer wieder auch schwierige Pflegejahre, aber meist doch solche, in denen wir große Mengen dieser herrlichen Früchte ernten konnten. Da lag es nahe mich zu Weihnachten mit einer Genussführung bei Erich Stekovics, dem "Paradeiserpapst" Österreichs zu beschenken. Vor ein paar Tagen nun fuhr ich in den Seewinkel, einem abgelegenen Gebiet zwischen dem Neusiedlersee und der ungarischen Grenze. Klimatisch bestens geeignet für den Gemüseanbau. Mit Erich Stekovics und einer großen Gruppe Interessierter ging es auch bald hinaus auf die Felder.
An die 3000 Sorten, weltweit gesucht (die Tomate ist so anpassungsfähig, dass sie sich auf allen Kontinenten etablieren konnte), werden hier gesammelt, ausgesät, geprüft, sortiert und weitergezüchtet, angebaut und entweder auf den Markt gebracht oder auch gleich weiterverarbeitet.
Erich Stekovics führt uns durch die Felder und den Betrieb und er macht das mit viel Verve, Begeisterung und eine große Portion Schmäh, also mit durchaus hohem Unterhaltungswert, immer unterstützt von seiner Frau Prisca (übernächstes Foto). Die Stunden vergehen wie im Flug, der Magen füllt sich mit Paradeisern, so viel wie ich möchte kann ich gar nicht kosten, so viele verschiedene Sorten wachsen da Ranke an Ranke. Unerwartet die Vielfalt des Geschmacks. Ein sinnliches und geschmackliches Vergnügen.
Gleich zu Beginn werden Glaubensfragen beantwortet ohne dass wir gefragt hätten. Patsch, das sitzt. Schließlich meint jeder halbwegs erfolgreiche Tomatenfreund zu wissen was die Pflanzen brauchen. An erster Stelle sicher Unmengen Wasser, oder?! Da platzt auch schon die Bombe und wir werden aufgeklärt, woher diese faszinierende Pflanze kommt und wie sie von Natur aus wächst. Hitze und Trockenheit ist ihr bevorzugtes Lebenselixier. Gut, dass ihr Wärme schmeckt weiß man schon, aber kein Wasser??? Verwirrt schweigt die Zuhörerschaft und wird auf den Feldern Zeuge dieser in die Praxis umgesetzten Theorie.
Aufbinden und regelmäßig ausgeizen, auch diese überlieferten Maßnahmen ohne die es angeblich keine gute Ernte gäbe, werden gleich von Anfang an ins Land der Märchen und Mythen abgelegt und immer wieder mal wiederholt. Schließlich sind damit eingefleischte Lehrmeinungen über den berühmten Haufen geworfen und das innerhalb von Minuten. Nicht gießen, nicht ausgeizen, nicht aufbinden. Das funktioniert? Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte schwer gezweifelt. Bringt es der Gärtner fertig die Pflanze nicht einmal beim setzen einzugießen? Warum nur?
Dann kommt der Satz, den ich liebe: "Lass der Pflanze ihre Art so zu sein wie sie eben ist und sie wird dich nicht enttäuschen". Erich Stekovics behauptet von Gemüse nichts zu verstehen, da er den Beruf des Landwirtes nicht studierte, er hätte einfach nur beobachtet und würde auf die Eigenarten der Pflanzen eingehen. Das fand ich schön und berührend.
Die Menge an Früchten, die da an den Pflanzen hängen sprechen für sich. Gemeinsam heben Erich und Prisca vorsichtig am Boden liegende Triebe etwas auf, um uns die vielen Früchte besser sichtbar zu machen. Jedesmal geht ein Raunen durch die Gruppe. Allgemeines Erstaunen. Bessere Argumente, als dies zu zeigen kann es nicht geben.
Düngen dürfen wir also, das ist uns geblieben. Immerhin etwas. Andererseits sollte die Pflege von Paradeiserpflanzen auf diese Art viel viel einfacher werden. Kein gießen, kein binden, kein geizen. Also prinzipiell pflanzen und ernten? Klingt eigentlich sehr gut!
Stellt sich mir nun die Frage, warum ich bisher doch eine ganz passable Paradeisermutter war. Und da muss ich auch gleich mal ein wenig schmunzeln. Ich bin nämlich eine faule Gießerin und überhaupt nie so richtig vom Gesetz des Ausgeizens überzeugt gewesen. Habe meist erst Ende Juli ein bisschen da und dort gezwickt, wenn die aufgebundenen Triebe so schwer wurden, dass sie den Stock fast umlegten. Ein bisschen Beobachtung und eingehen auf das Wesen der Pflanzen war also auch bei mir dabei, so wie bei jedem, der ein Wesen liebt, sei es Mensch, Tier oder eben eine Pflanze.
Reich beschenkt mit neuem Wissen, gefülltem Bauch und gesättigten Sinnen trete ich den Heimweg an. Was für ein anregender und fruchtbarer Nachmittag da draußen in der pannonischen Steppe. Lustvoller kann man mit Sicherheit nicht lernen. Ein kleiner Blick ins Paradies? Im Land der Paradiesäpfel mit ihrer verschwenderischen Vielfalt von den Stauden naschen. Das hatte was, durchaus, durchaus...
Hier gehts zur Webseite und Infos. Bei Interesse rechtzeitig anmelden, die Führungen sind schnell ausgebucht. Für dieses Jahr ist es schon zu spät, für 2017 kann und sollte man sich allerdings schon ab November anmelden.
Zu früheren Beiträgen zum Thema Paradeiser in diesem Blog gehts hier. Mit Fotos aus meinem Garten.